Bist du so weit, dich taufen zu lassen?

Kommentar zum  gleichnamigen WACHTTURM-Artikel

Taufe Kinder.001

Bild. Quelle JW.Org

Und wieder ein Artikel in unserem Studienwachtturm, der junge Menschen motivieren soll, sich Jehova hinzugeben, sprich, sich taufen zu lassen. Dieses Thema scheint der leitenden Körperschaft unter den Nägeln zu brennen. Jedenfalls kann ich mich nach meiner langjährigen Zugehörigkeit zur JW.ORG nicht erinnern, dass junge Menschen, ja, Kinder, jemals so massiv bedrängt wurden sich „hinzugeben“.

Link zum Video-Song: https://youtu.be/McDz2F-I6sM „NEIN, MEINE Kinder GEB ICH NICHT“

Link zu einem Video: https://www.youtube.com/watch?v=mBrCFoIAAWY

Das dürfte auch niemanden verwundern, der die Organisation gut kennt. Nicht nur, dass der Zuwachs in der westlichen Hemisphäre stagniert oder gar nachlässt – in den USA haben die Zeugen Jehovas einer Studie des renommierten Pew-Forums zufolge neben den Buddhisten die niedrigste Nachhaltigkeitsrate aller Religionen: Nur 37 % derjenigen, die als Zeugen Jehovas aufwuchsen, identifizieren sich später noch mit dem Glauben. In Deutschland dürfte es kaum anders sein. Die Leitende Körperschaft ist sich dieser katastrophalen Zahlen mit Sicherheit bewusst. Sie müssen reagieren. Je früher man die Kinder einfängt, desto besser, scheint da die neue Strategie zu sein.

Schon die Frage „bist du so weit, dich taufen zu lassen?“ übt einen gewissen Druck auf junge Menschen aus. Wer noch nicht so weit ist, scheint entweder ein Versager zu sein oder den Ernst der Lage nicht begriffen zu haben. Das Ende ist nahe, und du bist noch nicht so weit, dich taufen zu lassen?

Der gesamte Artikel suggeriert, dass die Taufe eine ernste Sache ist, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf, handelt es sich doch nach dem Verständnis des „Sklaven“ um ein Eid-ähnliches Versprechen Gott gegenüber. Vor diesem Hintergrund gesehen, versteht man auch, warum der Sklave ausgerechnet die Worte Jesu aus Luk. 14:28 als Grundlage für dieses Thema gewählt hat.

„Wer von euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuerst nieder und berechnet die Kosten, um zu sehen, ob er genug habe, ihn zu vollenden?“ Was hat die Taufe mit „Kosten berechnen“ zu tun?

Zitat Abs. 1: „Gleichzeitig wollen die Ältesten der Versammlung und die Eltern aber sicher sein, dass junge Menschen diesen Schritt aus eigenem Antrieb gehen und sie sich ihre Entscheidung gut überlegen“.

Abs. 2: „Deshalb sollten sich Eltern die Zeit nehmen, ihren Kindern zu erklären, was es heißt, ein Jünger Christi zu sein. Falls die Eltern nicht in der Wahrheit sind, erklären die Ältesten der Versammlung diesen jungen Leuten gern die Tragweite ihrer Entscheidung. . … man muss sich auch gut auf die Taufe vorbereiten, um Jehova „bis zum Ende“ treu zu bleiben“

Schon diese zwei Sätze widersprechen sich. Zum einen erwartet man, dass sich das Kind oder der Jugendliche aus EIGENEM ANTRIEB taufen lässt, und dann wird gesagt, dass Eltern und Älteste ihm die Tragweite seines Entschlusses vor Augen führen und ihn schließlich auf die Taufe gut vorbereiten sollen.

In den Evangelien und Briefen der Apostel findet sich jedoch kein einziger Hinweis darauf, dass es für die Taufe eine lange Zeit der Vorbereitung gab, oder dass man dem Taufanwärter vorher die Tragweite seines Entschlusses vor Augen führen musste.

Weder die Mengen von Menschen, die an einem Tag getauft wurden, noch der äthiopische Kämmerer, der Hauptmann Kornelius oder der Gefängniswärter, durchliefen einen monatelangen Bibelkurs, um in der Lage zu sein, 90 Fragen zu beantworten, die zeigen, ob sie reif wären für die Taufe.

Alle, die sich damals taufen ließen, waren nach einer kurzen Erklärung darüber, dass Jesus Christus der von Gott verheißene Erlöser ist, von dem in den Propheten berichtet wurde, bereit für die Taufe. Sie verstanden und gewannen die Einsicht, dass sie der Erlösung bedurften, und dies genügte als Grundlage für ihre Entscheidung.

Auch gibt es in der Bibel keinen Hinweis darauf, dass die Taufe eine Art Hingabe oder Versprechen ist, von nun an dem Willen Gottes nicht mehr zuwider zu handeln, oder sein ganzes Leben in den Dienst Gottes zu stellen.

Hier wird ein geschulter Zeuge jedoch schnell auf die Taten der Apostel und Jünger Jesu verweisen. Haben diese Männer nicht ihr ganzes Leben in den Dienst der guten Botschaft gestellt? Doch, aber bedenkt, dass diese Männer für diesen Dienst von Gott erwählt wurden. Nicht sie haben sich den Dienst ausgesucht, sondern sie wurden ausgesucht oder auserwählt!

Sie taten dies nicht auf Grund eines Versprechens durch die Taufe, sondern auf Grund einer Erwählung. Die Mehrheit der damaligen Christen gingen ihren ganz normalen alltäglichen Dingen nach und lebten ihr Leben, in dem Bewusstsein der Befreiung von den Folgen der Sünde. Sicherlich verkündigten sie die Botschaft im Bereich ihrer Möglichkeiten durch Worte und vor allem durch Taten. Doch auf keinen Fall sahen sie sich verpflichtet, sich für den Dienst Gottes zu verausgaben.

Abs. 3: „Es ist ein großes Vorrecht, sich taufen zu lassen und ein Zeuge Jehovas zu werden. Außerdem ist die Taufe für einen Christen ein Muss und die Voraussetzung, um gerettet zu werden (Mat. 28:19, 20; 1. Pet. 3:21). Weil du das Versprechen, das du Jehova gibst, bestimmt auch gern halten möchtest, musst du dich auf diesen wichtigen Schritt gut vorbereiten“.

Halten wir fest, „die Taufe soll ein Vorrecht sein“? Ein „Vorrecht“ impliziert den Gedanken der Leistung und des Verdienstes. Nichts davon hat mit der Taufe etwas gemein. Warum sollte es für einen Sünder, der jeder Mensch ist, ein Vorrecht sein, das Opfer Jesu anzunehmen und dies durch die Taufe zu zeigen?

Die Taufe soll ein MUSS zur Rettung sein? Als Beweis führt man zwei Bibelstellen an, Matthäus 28:18, 19 und 1. Petrus 3:21. Keiner dieser beiden Bibelstellen spricht davon, dass die Taufe ein MUSS zur Rettung ist.

In Matthäus 28 sagt Jesus: Darum geht hin und machet Jünger aus allen Völkern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles zu halten, was ich euch befohlen habe“.

Ich kann hier nicht erkennen, dass Jesus die Taufe als ein MUSS zur Rettung bezeichnet. Es gibt Beispiele in den Evangelien, wo Menschen die Zusage der Rettung auch ohne Taufe erhielten, z. B. der Übeltäter, der mit Jesus hingerichtet wurde. Jesus sprach vom Glauben, der rettet, „dein Glaube hat dich befreit“.

Und auch 1. Petrus 3 stellt den Akt der Taufe an sich nicht als heilsnotwendig dar. Petrus sagt: „Sie, (die Arche) ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet. Denn in ihr wird nicht der Schmutz vom Leib abgewaschen, sondern wir bitten Gott um ein gutes Gewissen, durch die Auferstehung Jesu Christ.“

Wenn Petrus hier auch sagt, so, wie die Arche damals Menschen rettete, rettet euch jetzt die Taufe, so relativiert er diese Aussage im folgenden Satz. Er sagt, dass es nicht um das Ablegen oder Abwaschen der Sünden geht, sondern, dass dieser Akt der Taufe eine an Gott gestellte Bitte um ein gutes Gewissen ist, nicht mehr und nicht weniger.

Von daher erübrigt sich alles Weitere, was in diesem Artikel gesagt wird. Die Taufe hat nichts mit Leistung, Hingabe, Erfüllen von Versprechen oder Ergreifen eines Vorrechts zu tun.

Kindertaufe1Wenn der Artikel von Taufe und Hingabe spricht, dann mit dem Ziel, junge Menschen möglichst schon im Kindesalter auf die Organisation einzuschwören. Hingabe an Gott bedeutet nichts anderes als völlige Hingabe an eine Organisation. Die Organisation möchte, dass du dich ihr mit „Haut und Haaren“ hingibst.

Es ist durchaus möglich, dass auch ein jugendlicher Mensch erkennt, dass er das Opfer Jesu braucht, wobei es fraglich bleibt, ob er die volle Bedeutung des Opfers Jesu auch versteht.

Ich sehe an mir ein Beispiel für diese Aussage. Auch ich habe mich vor 50 Jahren schon mit 12 Jahren taufen lassen. Über die Tragweite dieser Entscheidung hatte ich nur sehr vage Vorstellungen. Meine Eltern ließen sich taufen und auf die Frage, wie sieht es bei dir aus, Adolf, du glaubst doch auch an Gott und Christus? Das konnte ich bejahen, und dann bin ich einfach mitgegangen zur Taufe. So einfach war dies damals. Heute sieht das jedoch ganz anders aus.

Um das „Vorrecht“ zur Taufe zu erhalten, muss man heute eine Unmenge von Bedingungen erfüllen.

Anhand der Wachtturm-Literatur wird die „Bibel studiert“ und anschließend sichergestellt, dass der Täufling auch alles genau so glaubt, wie ein Zeuge Jehovas glauben soll, und besonders die letzte der zwei Tauffragen verrät, was vom Täufling erwartet wird.

„Bist du dir darüber im Klaren, dass du dich durch deine Hingabe und Taufe als ein Zeuge Jehovas zu erkennen gibst, der mit der vom Geist geleiteten Organisation Gottes verbunden ist?“

Explizit wird gefordert, dass der Täufling sich als ein Zeuge Jehovas zu erkennen gibt und damit anerkennt, mit der „Organisation Gottes verbunden“ zu sein. Diese Praxis steht eindeutig im Widerspruch zur Taufpraxis der ersten Christen.

Der Kämmerer aus Äthiopien (Apg. 8:26-40) hatte bisher NUR die Schriften des Alten Testaments gelesen, verstand sie aber nicht. Philippus erklärte sie und verkündigte ihm das Evangelium von Jesus (Apg. 8:35). Sobald sie an einem Wasser vorbeikamen, sagte der Kämmerer: „Siehe, Wasser! Was hindert mich, getauft zu werden?“

Widersprach ihm Philippus? „Halt, erst musst du ein ausführliches Bibelstudium absolvieren.“ Nein. Das Hören und Annehmen des Evangeliums reichte, um sich taufen zu lassen.

Der Hauptmann Kornelius wurde mit Petrus zusammengeführt. Petrus erzählt ihm von Jesus: „Er hat uns befohlen, dem Volk zu predigen und ernstlich zu bezeugen, dass er der von Gott verordnete Richter der Lebenden und der Toten ist.“

Hier erkennen wir zunächst einmal deutlich, was Petrus predigt. Er predigt ebenfalls das Evangelium von Jesus, nicht die Botschaft, dass Gott eine „Organisation“ eingerichtet hat, und man nur in und mit ihr Harmagedon überleben kann.

Der Heilige Geist fällt auf alle Hörer. – Petrus beschließt: Könnte wohl jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht getauft würden, die den Heiligen Geist empfangen haben?“ (Apg. 10:47) Ich denke, unsere „Organisation“ hätte diesen Menschen die Taufe verweigert.

Ein dritter Zeuge für die biblische Taufpraxis ist der Kerkermeister (Apg. 16:25-34). Paulus und Silas predigten ihm das Evangelium von Jesus: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus!“ (Apg. 16:30) Nachdem sie noch weiter das Wort des Herrn zu allen im Haus geredet hatten, ließen sich alle noch in derselben Nacht taufen.

In allen drei Beispielen wird Folgendes deutlich: Was den Menschen verkündigt wird, ist das Evangelium von Jesus. Dieses besagt zum Beispiel, dass man dadurch gerettet wird, dass man an den Herrn Jesus glaubt, (einfach glaubt, nicht Glauben ausübt). Der Leistungsgedanke ist in Verbindung mit der Taufe unangebracht. Jeder, der an ihn glaubt, empfängt Vergebung durch seinen Namen! Und es ist ausreichend, dass man dieses Evangelium für sich annimmt, um sich taufen zu lassen. Das ist der Startpunkt dazu, Jesu Jünger zu werden, auch wenn danach noch einiges an Lehre und Begleitung nötig sein wird.

In all den Forderungen, die in dem Wachtturmartikel wiederholt angesprochen werden, leistet der Täufling einen Gehorsamseid auf die Wachtturmgesellschaft und die dahinterstehende Struktur ab. Der Täufling soll anerkennen, dass das, was ihm in der Wachtturmliteratur weitergereicht wird, direkt von Gott kommt, über seine „Organisation“. Und selbstverständlich soll er sich auch daran halten. Damit stellt sich die Wachtturmgesellschaft neben Jesus, der ja, wie wir oben gesehen haben, unser Herr sein soll.
In den beiden Artikeln wird nicht der versprochene Heilige Geist erwähnt, der uns selbst in alle Wahrheit leiten wird, sondern die Wachtturmgesellschaft, die die vermittelnde Instanz ist, und sich damit an die Stelle des Heiligen Geistes setzt.
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten…“ (Johannes 16:12).

Mit der Taufe wird ein Mensch Christ und Mitglied der christlichen Gemeinde. Sie ist das sichtbare Zeichen dafür, dass Gott diesen Menschen angenommen hat.

 

 

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Lieber Autor,
Du schreibst im Schlussatz: “Die Taufe ist das sichtbare Zeichen dafür, dass Gott diesen Menschen angenommen hat”.
Welche Taufe muss ICH denn dafür annehmen ?
In welcher Religion muss ich mich taufen lassen, um das zu erreichen ? Also von wem ?
Ich war ein getaufter ZJ, aber das Gefühl meiner Unzulänglichkeit hatte ich schon damals.
Die Taufe war ein Versprechen meinerseits – aber ich konnte es nicht halten.
Mit dem Rest Deiner Ausführungen gehe ich konform – aber es bleibt ein goßes Fragezeichen —-

https://www.youtube.com/watch?v=T0FApHqlBHk

Ein sehr schönes Video zum Nachdenken und vor allem für die welche wirklich ernsthaft daran denken sich taufen zu lassen

Manfred

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